15.II.1916 “Schade, dass Papa mir so selten schreibt”

Verdun1916red.

Wolfgang Husserl an M. Husserl, 15. II. 1916

 

Liebe Mama!                                                                                                                                 15.2.16

Wir sind nun zum II. Bataillon gekommen. Es gefällt mir wenig, da wir so den Angriff aus etwas weiterer Entfernung als Brigadereserve mitmachen werden. Na, ich denke mit einem Stoß ist es nicht abgetan. Das II. Bataillon ist, was Offiziere und den Kommandeur anbetrifft, das schlechteste. Wir werden uns da nie wohl fühlen. Herr Rittmeister von Massew sieht aus wie ein echter Junker und ist in seinem Benehmen auch recht junkerlich und hochnäsig. Mit seiner schnarrenden Stimme und seinem kantigen Auftreten erscheint er mir als eine Karikatur. Er trinkt sehr viel. Die Bataillonsübung, die er heute Vormittag abhielt, war recht komisch, da er sie so unkriegsmäßig wie möglich gestaltete und jede Gelegenheit benützte, die Kompanieführer anzupfeifen. Der genaue Angriffsbefehl der Division ist schon da, Zeit noch unbekannt. Sehr nett sind die Übungen in der Kompanie, die Herr Oberleutnant Alt abhielt. Nicht schematisches Exerzieren, sondern kunstvoll ausgedachte kurze Übungen, die Wert haben. Zum Beispiel Durchreiten eines Hindernisses, einer dichten Hecke, einer Gartenmauer usw. Zu schade, dass ich aus allen netten Beziehungen rausgerissen bin!

Dein Brief vom 11. des Monats erhalten. Hoffentlich geht der Umzug gut vonstatten. Wenn die Postsperre vorbei, werdet Ihr einen großen Haufen Briefe von mir bekommen. Ich schreibe in dieser Zeit sehr viel. Das Wetter ist leider noch immer ungünstig. Heute war ein mächtiger Sturm.

W.

Es ist schön, dass ich so viel Briefe von zu Hause bekomme. Schade, dass Papa mir so selten schreibt. Manchmal bin ich doch etwas traurig und brauche Aufmunterung, im Allgemeinen aber stets guter Dinge. Horaz ist mein steter Genosse. Et fractus illabatur orbis impavidum ferient ruinae, danach will ich handeln.

 

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