9.II.1916 “Wir wissen ja gar nicht, was man mit uns vorhat”

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Wolfgang Husserl an M. und E. Husserl, 9. II. 1916

 Aufschrift: Leutnant d. Res. H. R. I. R. 19.

Geheim! Niemand zeigen!

Liebe Eltern!                                                                                                                                     9. 2. 1916

Heute ist ein Tag von einschneidender Bedeutung für unser Regiment. Wir werden abgelöst. Den Ort, der nun über 1 Jahr der Stammsitz unserer Truppe war, verlassen wir. Der Verband zwischen meiner Kompanie und dem I. Bataillon ist gelöst. Ich bin also wieder Zugführer und leiste heute dem I. Bataillon die letzten Dienste, indem ich den neuen Herren die wichtigsten Arbeiten übergebe. Wir kommen nicht weit weg, hinter den rechten Abschnitt unserer Division in Divisionsreserve. Aus all den gewohnten, heimatlichen Verhältnissen rauszumüssen und von so viel persönlichen Beziehungen zu scheiden, ist hart. Dafür stehen wir aber vor einer ereignisreichen Zukunft. Das Einerlei des Stellungskrieges wird unterbrochen werden. So gern würde ich Euch ausführlicher berichten, ich darf es nicht. Das muss ich vorerst verschieben, da es streng verboten ist, von militärischen Dingen zu schreiben. Wundert Euch bitte nicht, wenn die Post unregelmäßiger kommt. Ich werde viel, aber meist kurz schreiben. Ich brauche jetzt wieder Esssachen, da die Verpflegung wohl unregelmäßiger werden wird. Schickt mir bitte mein Rasierzeug und eine gute Kartentasche.

Kisten und Koffer sind gepackt. In den Straßen herrscht ein mächtiges Leben und Treiben. Die neue Truppe kommt. Wagen werden aufgeladen und abgeladen. Die Spannung, die auf den Gemütern lastet, ist groß. Wir wissen ja gar nicht, was man mit uns vorhat.

Viele Grüße, Wolfgang

Den Inhalt dieses Briefes darf niemand erfahren!

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